Konzept

Dies ist unser Nutzungskonzept, mit dem wir am 3. April in die nächste Runde der Verhandlungen gegangen sind. Der nächste Verhandlungstermin findet fünf Wochen später statt, bis dahin ist die Besetzung weiterhin geduldet.

Nutzungskonzept Besetztes Berger Kino

Als Verhandlungs-AK des besetzten Berger Kinos schlagen wir folgendes Konzept für eine langfristige Öffnung und Funktion des Berger Kinos als Kino, sowie als soziokulturellen Raum von und für die Bewohner*innen der Stadt Frankfurt vor. Um eine langfristige Nutzung des Kinos zu verwirklichen, streben wir die Umwandlung der Besetzung in einen legalen Rahmen an. Wir fordern, dass der reguläre Betrieb des Kinos als Programmkino mit regelmäßigem Kinderfilmprogramm nach dem Vorbild des Filmforum Höchst als kommunales Kino umgesetzt wird. Das heißt, wir lehnen die Nutzung der Räumlichkeiten durch einen kommerziellen Betreiber ausdrücklich ab und fordern, demokratisches Mitspracherecht von Zivilgesellschaft und Mitarbeitenden bei der Filmauswahl, sowie den darüber hinausgehenden kulturellen Veranstaltungen unter denen wir uns Varieté, Konzerte, Theater, Drag, Diskussionsveranstaltungen und Vorträge vorstellen.

1. Partizipative Ausrichtung

Die partizipative Ausrichtung des Kinos als Stadtteilkino steht im Mittelpunkt unseres Konzepts. Nachbar*innen, Initiativen, Schulen, Kitas und Vereine aus dem Viertel und der Stadt sind herzlich eingeladen das Kino zu bespielen. Frei nach dem Motto "Take back the Cinema" entsteht eine lebendige Nutzer*innenschaft, die insbesondere auch die Teilhabe junger Menschen ermöglicht. Wir, als junge Generation, eignen uns einen Kulturort an, gestalten ihn aktiv und machen lebendige Kino- und Stadtteilkultur. Der Einbezug junger Menschen ist elementar, im Kampf gegen das "Kinosterben". Der partizipative Ansatz trägt zudem zu einem vielfältigen Programm und zur langfristigen Existenzsicherung des Kinos bei. Die Nachbar*innenschaft und Kooperationspartner*innen werden Teil des Kinos und fühlen sich verantwortlich es mitzutragen, z.B. durch politische Unterstützung, Programmarbeit, Lizenzen und Fördermitgliedschaften (s. Finanzierungsmodell). So bekommt das Kino seine Rolle als kommunaler Kulturort im Viertel zurück. Dieser zukunftsweisende partizipative Ansatz wurde im bundesweiten Programm Neustart Kultur Projekt Junges Kino - Netzwerke für die Zukunft von verschiedensten Pilotkinos entwickelt, erprobt und etabliert. Mit Beratung von Vertreter*innen von Junges Kino arbeiten wir fortlaufend das Partizipationskonzept weiter aus.

2. Trägerschaft

In Anknüpfung an das Konzept des Jungen Kinos stellt der Bund Deutscher Pfadfinder_innen - Frankfurt (BDP) die Trägerschaft. Als unabhängiger, offener, demokratischer Jugendverband, der die gesellschaftliche Partizipation und Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen zum Ziel hat, halten wir den BDP Frankfurt für geeignet, die Träger*innenschaft des Kinos zu übernehmen. Der BDP ist ein gemeinnütziger Verein und hat Erfahrung darin, soziokulturelle Projekte mit weitem Spektrum ins Leben zu rufen und langfristig zu betreuen. Ein gutes Beispiel hierfür ist unter anderem der Kinderzirkus Zarakali. Der gemeinnützige Verein ist als zuverlässiger Fördernehmer in der Stadt Frankfurt und darüber hinaus etabliert. Dies bildet die Grundlage öffentliche Fördermittel zu empfangen. Die konkrete Umsetzung der Programmgestaltung, technischen Durchführung etc. soll aber weiterhin bei der künftigen Leitung und Koordination des Berger Kinos liegen. Alternativ schlagen wir die Gründung eines eigenen Vereins vor, mit dem Ziel als Trägerinstitution zu fungieren.

3. Programmarbeit und Betrieb

Wir schlagen zudem eine Orientierung des Berger Kinos am Konzept des Filmforum Höchst vor. Beschreibung des Filmforum Höchst auf der Seite der Stadt Frankfurt am Main:

Betrieben wird das Filmforum Höchst von der Volkshochschule Frankfurt und ist damit zu 100 Prozent ein kommunales Kino. Alle Mitarbeiter/innen des Filmforums sind an der Programmerstellung, an der technischen Durchführung und an der Präsentation des Programms vor dem Publikum beteiligt. Die sorgfältig ausgewählte Programm-Mischung enthält gehobenes Arthouse-Programm und Independent-Kino. [...] Regelmäßig wird das Filmforum Höchst für sein sehenswertes Programm mit dem hessischen Filmpreis für nicht gewerbliche Kinos ausgezeichnet.
frankfurt.de

Bereits in den vergangenen Wochen entstand im neuen Berger Kino ein Ort des Austauschs und der Begegnung an dem sowohl tagsüber Kinder-Kino stattfindet, wie abends vielfältiges Programm, z.B. ein Dokumentarfilm mit Gesprächsrunde zu Seenotrettung, die sich irgendwann aus dem Saal ins Foyer verlagerte in Kooperation mit Sea-Eye oder queeres Experimental- und Kurzfilmprogramm, ein Freejazz Konzert oder der bald stattfindende Science Slam.

Programmatisch soll weiterhin ein Fokus auf queer-feministischen Inhalten liegen. Dabei verstehen wir "queer" im weitesten Sinne, als nicht-normativ und nach der Kulturwissenschaftlerin Alana Kumbier als "offenes Netz". So kann ein Programm entstehen, das in der film-ästhetischen Reflektion gängige Normen, wie neoliberale sozio-ökonomische Strukturen oder diskriminierende soziale und politische Praxen hinterfragt und verschiedenste Lebensrealitäten und Perspektiven einschließt und ihnen Raum gibt. Dadurch kann Film und Kino ein kritisches, emanzipatorisches und mitunter suberversives Potential entfalten. Diese Ansätze finden sich wieder im Indepent- und Arthouse-Kino sowie im sozial oder politisch engagierten Film.

"The ‘open mesh’ that ‘queer’ enables extends beyond the realm of gender and sexuality to address dimensions of identification and discourses of identity that intersect with gender and sexuality, including race, ethnicity, nationality, class, and dis/ability. [...] people who experience themselves between, outside of, and in tension with a number of normalizing forces, like neoliberal or capitalist socio-economic orders, or oppressive social practices and structures—including racism, colonialism, sexism, ableism, and classism.
‒ Kumbier, "Ephemeral Material: Queering the Archive", 2014, S.7

Insbesondere für Frankfurter Film- und Medienschaffenden soll im Sinne einer lebendigen städtischen Filmszene eine Plattform entstehen. Wir zeigen Filme aus der Stadt für die Stadt. Erste Beispiele sind die Vorpremiere eines Frankfurter Dokumentarfilms zu AIDS-Aktivismus von Studierenden der Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Goethe Universität mit geladenen Zeitzeug*innen (s. Zeitungsartikel unten) oder das Musikvideo Release der Frankfurter Musikerin OG Lou sowie programmatische Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen und dem Medienkollektiv Frankfurt. Eine weitere Idee ist eine Zusammenarbeit mit Film-Projekten oder AGs der Schulen aus dem Stadtteil. Außerdem kann das Kino als Festivalhaus für die zahlreichen kleinen Filmfestivals in Frankfurt und Umgebung genutzt werden, die immer auf der Suche nach Spielorten sind. Es gab zudem eine Filmvorführung mit Regiegespräch in Kooperation mit dem Bundesverband Jugend und Film (BJF), die wie auch der Frankfurter Filmverleih "Jip Film und Verleih", mit Expertise und Abspiellizenzen das Programm unterstützen. Außerdem ist internationales Programm und Austausch geplant, z.B. ein Filmabend von und mit Studierenden der Prager Filmhochschule, deren Arbeiten Experimental- und Dokumentarfilm verbinden. Dies sind nur einige Beispiele für bereits umgesetzte oder konkret geplante Kooperationen, die in Zukunft verstetigt und ergänzt werden können.

Beispielhaft soll der reguläre Betrieb des Kinos (nach dem Modell des Filmforum Höchst) an 5 Tagen der Woche stattfinden (Mo, Di, Do, Fr, So). Darüber hinaus gestaltet an zwei Wochentagen (Mi, Sa) das offene Kollektiv Besetztes Berger Kino den Raum. An diesen beiden Tagen wird das Programm ausschließlich durch das offene Plenum der aktuellen Besetzung gestaltet. Künftige Mitarbeiter*innen können an diesen Tagen nach Bedarf weiterhin regulär arbeiten (Filmvorführer*in, Kasse, Bar, etc.) um ihre Lohnsicherheit zu garantieren. Das Kollektiv Besetztes Berger Kino erhält die vertragliche Zusicherung für die Spielzeiten, sowie Schlüssel für das Kino. So wird erreicht, dass ein basisdemokratisches Mitspracherecht bei der Film- und Veranstaltungsauswahl gewährleistet ist. Abspiellizenzen für Filme etc. werden über den regulären Betrieb erworben und geteilt. Wir können uns auch ein Konzept vorstellen, bei dem die übrigen Wochentage durch Kooperationspartner*innen und andere Interessent*innen bespielt werden.

4. Finanzierungsmodell

Als Finanzierungsmodell schlagen wir folgende zwei Varianten in Kombination miteinander vor:

  1. Wir fordern im Sinne eines kommunalen Kinos finanzielle Förderung durch die Stadt, wie beim Filmforum Höchst. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass wir keine Umverteilung der Gelder fordern, sondern, dass neue Gelder freigegeben werden müssen. Derzeit sind viele Kinos und Kulturorte in Frankfurt gefährdet. Deshalb gilt es zusammen zu stehen und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Keine Unterstützung auf die Kosten anderer. Wir sehen das Berger Kino als Ergänzung zum aktuellen Kulturangebot und nicht als Konkurrenz. Wir möchten nicht, dass Gelderverteilung zum Nachteil anderer städtischer Kultureinrichtungen wird. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das Interesse der Zivilgesellschaft an einem Kino in Bornheim Mitte extrem groß ist (Petition, Frankfurter Rundschau) und das Berger Kino breitflächig als ein Ort der Begegnung, der Debatte, und des Generationendialogs, genutzt und wahrgenommen wird (Frankfurter Rundschau zur studentischen Dokumentation über AIDS-Aktivismus in Frankfurt). Wir glauben, dass wir gemeinsam durch Petitionen, Anträge und die Ausübung von politischem Druck die Stadt dazu bewegen können das Projekt zu fördern. Alle beteiligten Parteien haben, wie bereits in unserem ersten Communiqué verlautbart, ein Interesse daran, dass das Berger Kino wieder in Betrieb geht. Wir müssen den politischen Schub jetzt nutzen, um die Stadt und auch das Land Hessen zu einer nachhaltigen Förderung zu bewegen. Wir fordern, dass die Fördergelder an einen Verein gehen und dann von diesem in Zusammenarbeit mit der Koordination des Kinos in Eigenverantwortung verwaltet werden. Mögliche Förderer sind zudem: HessenFilm und Medien GmbH, Kulturamt Frankfurt, Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA), FFA, sowie die Förderungen zur Nutzung von Leerständen des hessischen Wirtschaftsministeriums.

  2. Fördermitgliedschaften von Film- und Kulturliebhaber*innen. Wir eröffnen ein Konto und machen eine Kampagne zur finanziellen Unterstützung des Berger Kinos als kommunales und selbstverwaltetes Kino. Förderer*innen können dann einen monatlichen oder einen einmaligen Betrag entrichten, den sie als Privatspende dem Kino zukommen lassen, um diesem langfristig finanzielle Sicherheit zu gewähren. Wir glauben, dass eine gute Kampagne zu dem Ergebnis führen kann, dass viele Menschen Pat*innenschaften übernehmen und das Kino finanziell möglichst unabhängig wird. Wir zählen dabei vor allem auf die Bürger*innen der Stadt Frankfurt, aber auch auf deutschlandweite und sogar internationale Förderer*innen, die das Projekt als Lichtblick gegen das Kinosterben weltweit unterstützen wollen. Auch die Kooperationspartner*innen und Nutzer*innen des Kinos bringen durch ihre Beteiligung eine finanzielle Unterstützung ein, z.B. in Form von vergünstigten Abspiellizenzen und Spenden.

Für den Betrieb sollte klar sein, dass das Kino weiterhin unkommerziell und auf Spendenbasis funktionieren muss. Kultur wird immer teurer und da ist es kein Wunder, dass viele Menschen sich zweimal überlegen, ob sie angesichts allgemeiner Preissteigerungen ein Kinoticket für 12-15€ kaufen, oder eben nicht. Zudem werden soziale Ungleichheiten verstärkt und es kann kein milieuübergreifender Austausch stattfinden, wenn nur noch Besserverdienende sich Kulturveranstaltungen leisten können. Wir wollen auch nicht, dass das Berger Kino durch Aufwertung zur Gentrifizierung im Stadtteil beiträgt. Deshalb fordern wir, dass falls es jemals zu Mehreinnahmen kommen sollte, diese zu gleichen Teilen an folgende gemeinnützige Projekte ausgeteilt werden: AdA Kantine, Project Shelter und Frauenhäuser in Frankfurt. Selbstverständlich müssen auch die Arbeitsbedingungen angemessen sein. Darüber hinaus streben wir einen Mindestlohn von 18€/Stunde für Mitarbeitende an. Alle sollen gleich viel verdienen. Von der Techniker*in, bis zum Reinigungspersonal. Wir fordern, dass die Miete für das Kino erlassen wird, solange die Renovierungsphase andauert (sollten wir eine Dauerfinanzierung bekommen, sollte damit auch die Miete an die Eigentümer abgedeckt sein). Laufende Kosten übernehmen wir.

5. Renovierungen

Wir fordern die Eigentümer Herrman und Adolf Steib auf uns zuzusichern, dass wir das Kino in Zukunft entsprechend unserem Konzept nutzen dürfen. Sobald wir diese Sicherheit haben, werden wir eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben rufen, um Geld für die Renovierung und vollständige Instandsetzung des Kinos zu sammeln. In den letzten Wochen ist es uns bereits gelungen, die Toiletten zu reparieren und wieder in Betrieb zu nehmen sowie weitere kleine Reparaturen durchzuführen. Wir haben das Berger Kino in einem verwahrlosten Zustand vorgefunden und es tut uns weh, dass ein einst so schöner Ort verkommen gelassen wird. Wir haben in den letzten Tagen mit Architekt*innen, Elektriker*innen, Handwerker*innen und Dachdecker*innen gesprochen die uns einen Eindruck darüber vermittelt haben, welche Reparaturen anstehen. Hier nur ein kurzes Beispiel: Das Dach des großen Saals ist an einigen Stellen undicht. Wir haben solidarische Handwerker*innen aus der Nachbarschaft gefunden, die bereit sind mit uns das Dach zu reparieren. Passiert dies nicht möglichst bald, kann es sein, dass der Schaden irreversibel wird und enorme Kosten anfallen. Jetzt haben wir die Möglichkeit das anzupacken. Wir schlagen vor, Renovierungsarbeiten Stück für Stück umzusetzen. Wir akzeptieren keine längerfristige Schließung des Kinos, um Renovierungsarbeiten durchzuführen. Falls dies notwendig sein sollte, reduzieren wir den Betrieb temporär. Außerdem muss das Kino barrierefrei zugänglich gemacht werden.

Wenn wir die entsprechenden Zusicherungen von den Eigentümern haben, sind wir bereit, unser Konzept und unsere Forderungen unverzüglich umzusetzen. Wir arbeiten dabei eng zusammen mit den Anwohner*innen aus dem Stadtteil, sowie mit unterschiedlichen Institutionen aus der Film- und Kulturszene in Frankfurt und darüber hinaus.

Gezeichnet
Besetzer*innen & einzelne Vertreter*innen der Unterstützer*innen und Berater*innen

Unterstützer*innen und Berater*innen:
Filmforum Höchst
Pupille – Kino der Uni e.V.
Film- und Kinobüro Hessen e.V.
Kinothek Asta Nielsen e.V.
Bundesverband Jugend und Film e.V. (BJF)
Junges Kino
LICHTSPIEL – Netzwerk kulturelle Filmbildung e.V.